Das Theater Reutlingen Die Tonne ist in Deutschland einzigartig:
Hier stehen Schauspieler mit und ohne Behinderung gemeinsam
Reutlingen 18 Wo Kultur Stadt findet Alle
auf der Bühne. Ein fruchtbares Miteinander, von dem alle
profitieren – vor allem die Zuschauer.
inklusive
„Cotton Eye Joe“ ist fürs Aufwärmen ihr Lieblingslied: Dann stehen sie im
Kreis, werfen pantomimisch das Lasso, fangen sich ein Pferd ein,
ziehen
es mit langen, kräftigen Armbewegungen zu sich heran,
steigen auf und galoppieren in den imaginären Sonnenunter-gang.
Wobei „stehen“ nicht ganz das richtige Wort ist:
Manche
sitzen auch im Rollstuhl. Ihr Pferd fangen
sie trotzdem. Und wenn es in der nächsten Runde
darum geht, dass jeder eine eigene Übung vor-gibt,
wählen die Sitzenden eben Kopfkreisen
oder Lockerungen für Mund und Stimme.
Seit 2004 gibt es an Reutlingens städti-schem
Theater diese integrative Gruppe, in
der Menschen mit unterschiedlichsten
Behinderungen
künstlerisch ausgebildet
werden und eigene Stücke entwickeln.
Das dreizehnte Stück in dieser Reihe
steht im aktuellen Spielplan. Immer
wie-der
werden darin auch klassisch ausgebildete
Schauspieler des übrigen Tonne-Ensembles
integriert – und immer wieder
bereichern die Gruppenmitglieder andere
Produktionen des Abendspielplans. Die
„Dreigroschenoper“
etwa, die im Oktober
2018 ihre Premiere feierte, ist mit zwanzig
Akteuren
das inklusivste Stück, das die Tonne
je auf die Bühne gebracht hat.
„Diese gelebte Inklusion ist unser Alleinstellungs-merkmal“,
sagt Intendant Enrico Urbanek nicht ohne
Stolz. Daran, dass sich die ungewöhnliche Truppe etabliert
hat, trägt er selbst gravierenden Anteil. Fast immer ist er
auch derjenige, der Regie führt. „Diese Menschen sind aus unse-rem
Theater einfach nicht mehr wegzudenken“, sagt Urbanek. Und
was das Schönste sei: „Das Publikum geht diesen Weg mit.“ In Reutlingen
gehöre der soziale Aspekt einfach schon immer dazu.
Seit 2012 haben acht aus der Gruppe feste Arbeitsplätze an der Tonne. An zwei Tagen in
der Woche trainieren sie hier professionell alles, was zum Theater dazugehört: Schau-spiel,
Bewegung, Stimme, Musik, Text. Einer von ihnen, Seyyah Inal, ist jetzt sogar die
ganze Woche über da: „Wenn ich nicht selber spiele, souffliere ich und unterstütze
meine
Kollegen, wenn sie ihren Text vergessen.“
Seyyah Inal
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