
Er erkennt die
Geschichte hinter
den Gebäuden. ”
“
Reutlingen 7 Wo Tradition Stadt findet
Besucherblicke
an Bäckereien
und hübsch arrangierten
Schaufenstern
hängenbleiben,
sieht er die Häuserzeilen der
Reichsstadt. Dort, wo andere nur
eine Hauswand aus klobigen Steinblöcken
sehen, sieht er die Not der Stadtbevölkerung,
die sich nach dem großen Brand
kaum Baumaterial leisten konnte und deshalb die
Stadtmauer als Außenseite ihrer Häuser verwendete.
Wendler sieht mehr. Und mit ihm die Damen, die er
durch die Stadt führt.
Die Wilhelmstraße, heute Shoppingmeile, ist seit jeher
die Hauptachse der Stadt. Hier erzählt Wendler gerne
von einem Schuster, der gegenüber der Nikolaikirche
lebte und der Legende nach Unglück über die Stadt
brachte. Für solche Anekdoten wechselt er von Hochdeutsch
zu Schwäbisch, das ihm passender scheint für
derben Stoff: Der Schuster soff viel, fluchte nicht weniger
und arbeitete auch am Sonntag. Liederlicher Lebensstil
werde bestraft, hatte der Pfarrer gedroht. Dann, am
23. September 1726, hatte sein Dienstmädchen
ein
Stelldichein in der Werkstatt.
Sie stieß die Kerze um, die
durch einen Spalt ins Heulager
im Keller fiel. „Damals ging ein
Wind, so wie jetzt“, sagt Wendler.
Das Feuer raste durch die Stadt, neunzig
Prozent aller Gebäude brannten. „Den
Schein soll man noch am Bodensee gesehen
haben.“ Legende? Wahrheit? Oder irgendwas dazwischen.
Wendler ruft sein historisches Wissen ab wie ein
Schauspieler seinen Rollentext. „Als ob man einer Hörspielkassette
lauscht“, sagt eine der Teilnehmerinnen.
Zwischen den Stationen macht Wendler Tempo. Er will
viel von Reutlingen zeigen und weicht auch mal vom
Konzept ab. Als er die aus grauen Quadern und Glas
gebaute Volkshochschule passiert, sagt er: „In diesem
Teil der Altstadt könnten wir das älteste Häuserquartier
Deutschlands haben – noch älter als Esslingen.“ Doch
früher habe die Stadt die historische Bausubstanz nicht
genug geschätzt. Wendler ist für seine kritischen Bemerkungen
bekannt. Heute, betont er, tue die Stadt aber
viel zur Erhaltung traditioneller Architektur. In das
Im Mittelpunkt: Der Maximilian-Brunnen zwischen Marktplatz und Wilhelmstraße ist ein beliebter Treffpunkt für Bummler, Freunde und Familien.