
Die Tulpe geriet aber in Vergessenheit. Warum
eigentlich?
Als ich ein Kind war, wurde die Tulpenblüte noch gepflegt.
Wir fuhren im Frühjahr mit der ganzen Familie
aus Reutlingen hierher, um die Tulpen zu bewundern.
Auf den Bildern, die ich als Kind gemalt habe, sind rote
Tulpen! Im Lauf der Zeit wurde die Tulpe aber zur Allerweltsblume
und war überall günstig erhältlich. In Gönningen
gab es auch deshalb immer weniger Samenhändler,
Reutlingen 17 Wo Kultur Stadt findet
die Tradition verblasste.
Wer kam denn vor zehn Jahren auf die Idee, die
Tulpenblüte wieder aufleben zu lassen?
Das waren engagierte Bürger, die sich mit der Geschichte
befasst haben. Sie fragten mich, ob ich, als Historikerin,
dem Verein nicht beitreten wollte. Heute bin ich die Vorsitzende,
wir haben zirka 130 Mitglieder. Auch der einzige
noch aktive Samenhändler Samen-Fetzer in Gönningen
setzt sich sehr für unseren Verein und das Event, die Gönninger
Tulpenblüte, ein. Tulpen stehen für die Geschichte
des Samenhandels, daran wollen wir erinnern. Und
irgendwie
ist der Samenhandel doch die Basis allen
Lebens,
oder?
Ist das der Grund, warum selbst der Friedhof im
Frühjahr in allen Farben leuchtet?
Schon immer war die Tulpe ein Symbol des Lebens und
gleichzeitig aber auch ein Zeichen für Wohlstand. Reiche
Samenhändler haben sie daher auf dem Familiengrab angepflanzt.
Das war der Anfang der Gönninger Tulpenblüte.
Heute symbolisiert unser bunter Friedhof für
mich die Einheit von Leben und Tod. Wenn
die Tulpen hier blühen, kommen viele
Besucher, junge, alte, ganze Familien.
Man freut sich an den Blumen, es ist
wirklich eine besondere Stimmung.
Tausende Besucher kommen
jährlich zur Gönninger Tulpenblüte.
Was wird ihnen geboten?
Während der Blütezeit ab Mitte April
lohnt sich ein Besuch in jedem Fall. Es
gibt einen Künstlermarkt im ganzen Ort
und ein Fest am Tulpenfeld, wo man mehr als
400 Sorten zu sehen bekommt. Einer der Höhepunkte
ist der Gottesdienst am ersten Tulpensonntag.
Außerdem gibt es bei uns ja das einzige Samenhandels-Museum
der Welt! Dort ist eine alte Samenhandelsstube
originalgetreu nachgebaut, wo erklärt wird, wie man die
Samen aufbewahrt, mit Löffelchen abgemessen und verpackt
hat. Alte Fotos zeigen die stolzen Samenhändler
und Samenhändlerinnen im feinen Zwirn. Man kann
sich wirklich gut in diese Ära hineinversetzen.
Frau Walliser, haben Sie eine Lieblingstulpe?
Die rote Triumph-Tulpe. Sie hat einen eher geschlossenen
Kelch und gefällt mir, weil sie so schlicht ist. Wenn
bei uns die Tulpen blühen, kann einem die Wahl aber
schwerfallen. Da gibt es die fransigen Papageientulpen
oder die eleganten Lilien-Tulpen. So viele Formen und
Farben sieht man selten.
Weltweit einzigartig: Im Samenhandels-Museum taucht man in die Geschichte des Gönninger Traditionsgeschäfts ein.
Gedenken in bunt: Tulpenblüte auf dem Gönninger Friedhof.
Vielfältig: Der Künstlermarkt während der Tulpenblüte